Samstag, 10. Juli 2010

AkDÄ: Ambulant erworbene Pneumonie und Einnahme von Antipsychotika

Eine holländische Fallkontrollstudie ergab bei Älteren einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Antipsychotika und dem Auftreten von ambulant erworbenen Pneumonien.

Bei älteren Patienten werden Antipsychotika neben der Behandlung von Schizophrenien insbesondere zur Behandlung von psychischen und Verhaltenssymptomen wie Aggression und Agitation im Rahmen von Demenzerkrankungen verordnet.
Die Gabe von Antipsychotika bei älteren dementen Patienten ist jedoch mit Risiken verbunden. Neben den bekannten extrapyramidalen, kardialen und orthostatischen Nebenwirkungen ist das Risiko für zerebrovaskuläre Ereignisse wie Schlaganfälle erhöht. Eine erhöhte Letalität bei älteren dementen Patienten, die zunächst im Zusammenhang mit der Gabe von atypischen (neueren) Antipsychotika auffällig war und in die Fachinformationen aufgenommen wurde, konnte später auch für die typischen (älteren) Antipsychotika gezeigt werden.
Nun zeigte eine Fallkontrollstudie, dass die aktuelle Einnahme von typischen oder atypischen Antipsychotika gegenüber der länger zurückliegenden Einnahme (mehr als sechs Monate) mit einem erhöhten Risiko für eine Pneumonie verbunden war. So betrug das Chancenverhältnis (Odds Ratio, OR) für Atypika 2,61 [95%-Konfidenzintervall 1,48-4,61] und für klassische Antipsychotika 1,76 [1,22-2,53] im Vergleich zu einer mindestens sechs Monate zurückliegenden Antipsychotika-Medikation. In Bezug auf tödlich verlaufende Lungenentzündungen ergab sich sogar ein Chancenverhältnis von sechs für Atypika (OR 5,97 [1,49-23,98]), wobei das breite Konfidenzintervall die Unsicherheit über das Ausmaß des Effekts zeigt. Die laufende Einnahme klassischer Antipsychotika war demgegenüber nicht statistisch signifikant mit dem Risiko für tödliche Pneumonien assoziiert (OR 1,71 [0,76-3,87]).
Bei einer Analyse der chemischen Gruppen der klassischen Antipsychotika war das Risiko einer Pneumonie bei Butyrophenonen nur leicht erhöht, während die Einnahme von Phenothiazinen mit einer vierfachen Erhöhung des Risikos verbunden war. Bei den einzelnen Wirkstoffen war das Risiko unter Risperidon am höchsten. Das Pneumonierisiko war in der ersten Woche der Einnahme am höchsten und abhängig von der verordneten Dosis.
Die Ursachen für das erhöhte Pneumonierisiko unter Einnahme von Antipsychotika sind nicht abschließend geklärt. Zwar ist denkbar, dass die extrapyramidalen Effekte der konventionellen Neuroleptika einen Risikofaktor für eine Aspiration darstellen, jedoch spricht das höhere Risiko unter den Atypika für andere bzw. zusätzliche relevante Mechanismen. So können die anticholinergen Effekte über einen verminderten Speichelfluss zu einem gestörten oropharyngealen Nahrungstransport führen und so zu einer Aspiration beitragen. Auch sedierende Effekte im zentralen Nervensystem kommen als Ursache für Schluckstörungen infrage. Da eine medikamentöse Therapie mit Antipsychotika bei älteren Patienten häufig wegen des Auftretens neuer Symptome wie Agitiertheit oder Verwirrtheit begonnen wird, bleibt auch zu diskutieren, ob diese Symptome oder eine zugrundeliegende Verschlechterung des Gesamtzustands unabhängig von der Behandlung mit Antipsychotika bereits zu einem erhöhten Risiko für eine Pneumonie beitragen.
Der Nutzen einer Behandlung von älteren und insbesondere dementen Patienten mit Antipsychotika sollten gegenüber den Risiken im Einzelfall sorgfältig abgewogen werden. Aus der vorliegenden Studie lässt sich ableiten, dass vor allem zu Beginn der Behandlung und bei Einsatz höherer Dosierungen eine engmaschige Überwachung der Patienten ratsam ist.

Quellen:
AkDÄ Drug Safety Mail 2010-102 sowie kompletter Beitrag der AkDÄ
Trifiro G, Gambassi G, Sen EF et al.: Association of community-acquired pneumonia with antipsychotic drug use in elderly patients: a nested case-control study. Ann Intern Med 2010; 152: 418-40.

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