Dienstag, 22. Mai 2012

Isotretinoin und chronisch-entzündliche Darmerkrankung

Aufgrund von Einzelfallberichten sowie einer Auswertung der Spontanmeldungen in der FDA-Datenbank wird seit Jahren diskutiert, ob ein Zusammenhang zwischen der oralen Einnahme von Isotretinoin und dem Auftreten einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED: Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) bestehen könnte.

Zwei Fallkontrollstudien zu dieser Frage kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Eine Untersuchung von Patientendaten aus der kanadischen Provinz Manitoba fand bei 1960 CED-Fällen und mehr als 19.000 Kontrollen keinen Zusammenhang zwischen der Anwendung von Isotretinoin und dem Auftreten einer CED. Hingegen zeigte eine andere Studie anhand von Krankendaten von 55 Mio. US-Amerikanern ein deutlich erhöhtes Risiko für Colitis ulcerosa nach Einnahme von Isotretinoin (Odds Ratio 4,36; 95%-KI 1,97–9,66), jedoch nicht für Morbus Crohn (OR 0,68; 95%-KI 0,28–1,68). Dabei war das Risiko einer Colitis ulcerosa mit der Dosis von Isotretinoin und der Therapiedauer positiv korreliert, was den Verdacht auf einen kausalen Zusammenhang unterstützt. Darüber hinaus bestätigte sich das Ergebnis bei zusätzlichen statistischen Analysen, mit denen Verzerrungen, wie z. B. durch falsche Diagnose einer CED oder der Hauterkrankung, vermindert werden sollten. Ebenfalls ausgeschlossen wurde ein von einer Isotretinoin-Gabe unabhängiger Zusammenhang zwischen Akne und CED.

Es gibt Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Colitis ulcerosa durch orale Behandlung mit Isotretinoin, obwohl die Daten aus zwei Fallkontrollstudien uneinheitlich sind. Ob tatsächlich eine kausale Assoziation besteht, muss durch weitere Untersuchungen bestätigt werden. Der zugrundeliegende Pathomechanismus ist unklar. In der Fachinformation von Isotretinoin werden Kolitis, Ileitis, gastrointestinale Blutungen, hämorrhagische Diarrhö und entzündliche Darmerkrankung als sehr seltene Nebenwirkungen aufgeführt. Patienten beziehungsweise deren Angehörige sollten vor Beginn einer Behandlung mit Isotretinoin über diese mögliche Assoziation informiert und die Symptomatik einer Colitis ulcerosa aufgeklärt werden.
Obwohl das relative Risiko, im Zusammenhang mit Isotretinoin eine Colitis ulcerosa zu entwickeln, in dieser Studie hoch ist, muss bedacht werden, dass das absolute Risiko gering ist: Bei einer Inzidenz von zehn Colitis-ulcerosa-Fällen pro 100.000 Patientenjahren lässt sich anhand der Ergebnisse eine Number needed to harm (NNH) von 2977 berechnen (5). Dies bedeutet, bei Behandlung von 2977 Patienten mit oralem Isotretinoin müsste mit einem zusätzlichen Fall von Colitis ulcerosa gerechnet werden.


Quelle:

UAW-Datenbank der AKdÄ vom 18. Mai 2012

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