Dienstag, 29. August 2017

Cladribin oral von der EU-Kommission bei MS zugelassen

Die EU-Kommission hat am 24. August 2017 Cladribin (Mavenclad, Merck Serono) für die orale Behandlung von erwachsenen Patienten mit hochaktiver schubförmiger Multipler Sklerose (MS) definiert durch klinische oder bildgebende Befunde zugelassen.
Die empfohlene kumulative Dosis von Cladribin beträgt 3,5 mg/kg Körpergewicht über 2 Jahre, angewendet als 1 Behandlungsphase von 1,75 mg/kg pro Jahr. Jede Behandlungsphase besteht aus 2 Behandlungswochen, eine zu Beginn des ersten Monats und eine zu Beginn des zweiten Monats des jeweiligen Behandlungsjahres. Jede Behandlungswoche besteht aus 4 oder 5 Tagen, an denen ein Patient abhängig vom Körpergewicht 10 mg oder 20 mg (eine oder zwei Tabletten) als tägliche Einmaldosis erhält. Nach Abschluss der zwei Behandlungsphasen ist keine weitere Behandlung mit Cladribin in den Jahren 3 und 4 erforderlich. Eine Wiederaufnahme der Therapie nach dem 4. Jahr
wurde nicht untersucht.
Cladribin ist ein Nukleosid-Analogon des Desoxyadenosins. Eine Substitution durch ein Chloratom im Purinring schützt Cladribin vor dem Abbau durch die Adenosindesaminase, dadurch ist Cladribin als Prodrug intrazellulär länger verfügbar. Anschließend erfolgt die Phosphorylierung von Cladribin zum aktiven Triphosphat, 2-Chlordesoxyadenosin-5'-triphosphat (Cd-ATP), vornehmlich in den Lymphozyten, da diese im Vergleich zu anderen Zelltypen hohe Spiegel an Desoxycytidinkinase  (DCK) und verhältnismäßig geringe Spiegel an 5'-Nukleotidase (5'-NTase) aufweisen. Ein hoher Anteil von DCK im Vergleich zu 5'-NTase fördert die Anreicherung von Cd-ATP, was Lymphozyten besonders anfällig für Zelltod macht. Aufgrund des geringeren DCK/5'-NTase-Verhältnisses sind andere aus dem Knochenmark stammende Zellen weniger betroffen als die Lymphozyten. Die Umwandlungsrate des Prodrugs Cladribin in sein aktives Triphosphat wird durch das Enzym DCK bestimmt, dadurch kommt es zu einer selektiven Reduktion von sich teilenden und nicht teilenden T- und B-Zellen. Der primäre Apoptose-induzierende Wirkmechanismus von Cd-ATP hat direkte und indirekte Auswirkungen auf die DNA-Synthese und die Mitochondrienfunktion. In sich teilenden Zellen greift Cd-ATP in die DNA-Synthese ein, indem es die Ribonukleotidreduktase hemmt und mit
Desoxyadenosin-Triphosphat um den Einbau in die DNA durch DNA-Polymerasen konkurriert. In ruhenden Zellen führt Cladribin zu DNA-Einzelstrangbrüchen, raschem Verbrauch von NikotinamidAdenin-Dinukleotiden, ATP-Mangel und Zelltod. Es liegen Hinweise vor, dass Cladribin auch direkt zu Caspase-abhängigen und -unabhängigen Apoptose führen kann, indem Cytochrom C und Apoptoseinduzierender Faktor in das Zytosol von sich nicht teilenden Zellen ausgeschüttet werden.
Es wurde gezeigt, dass Cladribin eine lang anhaltende Wirkung bevorzugt auf Lymphozyten sowie auf die an der Pathophysiologie der MS beteiligen Autoimmunprozesse ausübt.

Quelle
EPAR der EMA

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